Wir sind das neue Team
Aurubis hat sich viel vorgenommen – eine historische Wachstumsagenda. Gleichzeitig hat sich nach starken Herausforderungen 2023 in diesem Jahr ein neuer Vorstand formiert. Mit einem klaren Bekenntnis: Wir liefern. Im Interview betont das Viererteam, wie entscheidend es ist, die Investitionsprojekte konsequent umzusetzen, das Hüttennetzwerk weiter auszubauen und unser Multimetall-Geschäft zu stärken. Das Vorstandsteam hat sich klare Prioritäten gesetzt, darunter auch, das Vertrauen in Aurubis bei allen Stakeholdern nachhaltig zu stärken.
Herr Haag, Sie kennen Aurubis bereits gut aus Ihrer Zeit als Finanzvorstand bei der Norddeutschen Affinerie. Nach den ersten Monaten als CEO: Was ist neu, was ist gewohnt?
Toralf Haag Das Unternehmen ist verglichen mit Anfang 2000 heute wesentlich größer, komplexer und internationaler. Wir produzieren mehr Metalle in größeren Mengen und können besser mit der großen Vielfalt an Rohstoffen umgehen. Wir verfolgen einen klaren strategischen Plan. Dazu gehört eine Reihe genehmigter Investitionsprojekte, die wir jetzt konsequent umsetzen. Darauf hat sich das ganze Team bei Aurubis eingeschworen. Wir wollen und werden liefern! Bekannt sind mir – neben dem immer noch sehr robusten Geschäftsmodell – vor allem noch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ich bereits von früher kenne. Das zeigt mir, dass die Loyalität der Beschäftigten zum Unternehmen äußerst hoch ist. Ein Zeichen der Stärke. Auf diese Stabilität, auf Kontinuität und auf das Teamplay werden wir auch künftig setzen.
Und wie wollen Sie das anpacken?
T. H. Nach einer ehrlichen Bestandsaufnahme muss ich sagen: Wir haben noch einige Hausaufgaben vor uns. Die Arbeitssicherheit ausbauen, weiter in die Werkssicherheit investieren, das Vertrauen der Menschen in Aurubis stärken – um nur drei zu nennen. Gleichzeitig wollen wir die geschäftliche Performance weiter steigern und dies im Einklang mit unseren Umwelt- und Dekarbonisierungszielen. Das geht nicht über Nacht, aber es geht. Und natürlich werden wir auch die langfristigen Annahmen unserer Strategie gründlich durchleuchten, wo nötig adjustieren und die Strategie nachschärfen. Wichtig ist mir: Wir tun dies als ein Team. In der Geschäftsführung, im ganzen Unternehmen. Dafür werden wir im Vorstand auch kulturelle Aspekte klar weiterentwickeln.
Herr Kurth, das Thema Werkssicherheit wurde schon angesprochen, wo steht Aurubis dort heute und wie geht es weiter?
Tim Kurth Wir haben bereits umfassende Maßnahmen eingeleitet, um Schritt für Schritt auf ein höheres Niveau zu kommen – bei der Werkssicherheit genauso wie bei der Arbeitssicherheit. Hierzu tragen alle Standorte bei. Dinge heute zu ändern, ist das eine, sie nachzuhalten und wenn nötig regelmäßig sich verändernden Bedrohungslagen anzupassen, das andere. In puncto Werkssicherheit haben wir bislang rund 400 Maßnahmen identifiziert, von denen wir die wichtigsten 100 schnell und diszipliniert umgesetzt haben. Das sind zum Teil sehr naheliegende, wie eine effizientere Überwachung kritischer Anlagen, aber auch komplexere, wie die Entwicklung und der Einsatz von hoch automatisierten Beprobungsanlagen. Gleichzeitig arbeiten wir an der Sensibilisierung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, beispielsweise über wirkungsvolle Kampagnen. Wir schützen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, damit niemand zum Innentäter wird.
Und wie kommen Sie dabei voran, die Arbeitssicherheit zu stärken?
T. K. Hier gehen wir ähnlich vor. Das Ziel ist klar: null arbeitsbedingte Unfälle bei Aurubis. Das können wir aber nicht verordnen. Dafür sind neben technischen und organisatorischen Maßnahmen auch unternehmenskulturelle Aspekte der verhaltensbasierten Arbeitssicherheit unglaublich wichtig. Wir verfolgen den Ansatz, dass jeder Standort an seinen individuellen Herausforderungen arbeitet, denn jeder Standort hat spezifische Gegebenheiten. Zusätzlich definieren wir gruppenweite Standards. Ich spüre konzernweit eine große Bereitschaft bei allen, mit denen ich spreche, uns in die richtige Richtung zu entwickeln.
Aurubis wächst, insbesondere im Recycling. Frau Hofkens, welches ist für Sie das wichtigste Projekt?
Inge Hofkens Das Schöne an unserer Wachstumsstrategie ist, dass wir nicht auf das eine Projekt setzen. Wir entwickeln alle unsere Standorte weiter. Jeden nach seinen individuellen Spezifikationen, um unser Hüttennetzwerk sinnvoll zu ergänzen, die Materialströme weiter zu optimieren und noch mehr Metalle im Kreislauf zu halten. So schonen wir die Ressourcen der Gesellschaft und machen uns in Europa und den USA unabhängiger von anderen Regionen dieser Welt. Der Aspekt des Recyclings kommt an fast allen großen Standorten zum Tragen. Rund zwei Drittel der genehmigten Investitionsmittel der Strategie fließen in dieses Wachstumsfeld. Wir zahlen damit unmittelbar auf wichtige politische Initiativen wie den Critical Raw Materials Act und die Kreislaufwirtschaft ein. Jedes Projekt bei Aurubis hat seinen individuellen Reiz und Wertbeitrag für das Hüttennetzwerk. Von der schieren Dimension her sticht aber unsere Investition in den USA heraus.
Sie meinen aufgrund der hohen Investitionssumme?
I. H. Auch, aber nicht nur. Wir sind sehr stolz, in den USA die erste Sekundärhütte dieser Art für komplexe Recyclingmaterialien umzusetzen. Vieles spricht für das Projekt: Der Markt ist attraktiv, er ist groß und er wächst. Die Rahmenbedingungen vor Ort sind wettbewerbsfähig, unternehmensfreundlich und die logistische Anbindung ist optimal. Dass wir strategisch wichtige Metalle im Kreislauf halten und als lokaler Abnehmer fungieren, wird auch von der Politik vor Ort und den US-Lieferanten sehr geschätzt. 2025 werden wir die Kapazitäten des Werks sukzessive hochfahren. Wir wollen der Marktführer im Bereich Multimetall-Recycling in den USA werden. Für nichts weniger sind wir angetreten.
Aurubis ist bekannt für eine solide Finanzierung. Herr Hoffmann, mit der größten Investitionsagenda in der Geschichte von Aurubis, ist diese Stärke in Gefahr?
Steffen Hoffmann Ein klares Nein. Aurubis ist und bleibt ein solide durchfinanziertes Unternehmen. Eine Eigenkapitalquote von über 55 % und unsere sehr geringe Fremdverschuldung geben uns Handlungsspielraum. Die aktuell genehmigten Projekte im Umfang von 1,7 Mrd. €, von denen schon mehr als 50 % investiert wurden, werden wir gut stemmen können. Selbstverständlich sehen wir die Anlaufkosten für die strategischen Projekte in unserem Jahresabschluss, da die Ergebnisbeiträge erst später kommen. Ein übergangsweise negativer Free-Cashflow geht damit einher. Auch das ist normal. Klare Priorität haben positive Cashflows, da sind wir uns im Vorstand einig.
Mit Ihrem frischen Blick auf den Jahresabschluss, sehen Sie irgendwelche Baustellen?
S. H. Ich sehe keine Baustellen, vielleicht Achtungspunkte. Wir werden künftig strenger als bisher die Kostenpositionen im Blick behalten. Denn der Spagat zwischen einer Wachstumsphase auf der einen Seite und einem schlank aufgestellten Unternehmen auf der anderen ist kein leichter. Hier helfen uns künftig unsere Investitionen in Digitalisierung und Automation. Die Prozesse „smart“ zu machen mittels computergestützter Entscheidungsvorlagen für unsere Produktion und gleichzeitig unsere naturgemäß schwankenden Bestände besser zu managen als bisher. Das sehe ich als wichtige Aufgabe an.
Herr Haag, mehr als 40 % der genehmigten strategischen Mittel fließen in die USA. Welche Rolle spielt Europa künftig noch für Aurubis?
T. H. Eine große. Europa ist und bleibt unser Kernmarkt. Der Schritt in die USA mit Blick auf Europa ist kein Entweder-oder, sondern ein klares Sowohl-als-auch! Aurubis Richmond ist eine Investition in den regionalen Wachstumsmarkt Nordamerika, eine sinnvolle räumliche Diversifizierung für uns. Es ergänzt unser Geschäft in Deutschland und Europa, macht uns noch stabiler im Geschäftsmodell. Allein am Stammsitz in Hamburg investieren wir in diesem und den kommenden fünf Jahren rund 750 Mio. € in die Weiterentwicklung unserer Multimetall-Strategie, in die Prozessoptimierung, aber auch in den Klima- und Umweltschutz. Diesen Ansatz verfolgen wir für das ganze Hüttennetzwerk. Wir stärken insbesondere auch unser wichtiges Kerngeschäft, die Verhüttung von Kupferkonzentraten. Gleichzeitig treiben wir viele Dekarbonisierungs- und Umweltprojekte voran – denn wir wollen vor 2050 klimaneutral sein. Wir produzieren unsere Kupferkathoden heute mit 60 % weniger CO2-Emissionen als der globale Wettbewerb. Ja, Aurubis ist zwar energieintensiv. Aber wir sind auch sehr energieeffizient.
Welche Projekte sind das konkret?
T. H. Wir bauen in großem Maße eigene Solaranlagen in Bulgarien, betreiben im belgischen Olen unser Werk fast ausschließlich mit Offshore-Windkraft und innovativen Energieträgern. Zudem finden wir mehr Energieeffizienzpotenziale innerhalb unserer Prozesse. So schließen wir Energiekreisläufe – zum Vorteil nicht nur von Aurubis. Exemplarisch dafür ist unser Industriewärmeprojekt. 2024 haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, die vorhandenen Kapazitäten deutlich auszubauen. Durch die Nutzung von Prozesswärme aus einem Nebenprozess der Kupferproduktion beliefern wir bereits seit 2018 die Hamburger Hafen-City Ost mit Wärme, und ab der Heizperiode 2024/25 bis zu 28.000 Haushalte zusätzlich – dies spart bis zu 120.000 t CO2-Emissionen jährlich in der Stadt Hamburg ein. Ein weiteres bedeutendes Nachhaltigkeitsprojekt, das zeigt: Die Industrie ist ein wichtiger Teil der Lösung bei der Energie- und Wärmewende. Für unsere Nachhaltigkeits- und Recyclingarbeit wurden wir 2024 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet – eine tolle Anerkennung für die Leistung des gesamten Aurubis-Teams.
Herr Kurth, um den globalen Kupferbedarf zu decken, wird Recycling nicht reichen. Was tun Sie, um das Kerngeschäft der Konzentratverarbeitung fit für die Zukunft zu machen?
T. K. Wir investieren in Anlagen, Prozesse und Know-how. In Hamburg haben wir dieses Jahr den größten geplanten Wartungsstillstand in der Geschichte des Standorts durchgeführt. In unserem Werk in Bulgarien werden wir im nächsten Jahr sehr umfangreich die Anlagen auf den neuesten Stand bringen. Geplante Wartungsstillstände nutzen wir regelmäßig, um unsere Prozesse besser, effizienter und innovativer zu gestalten. Ein Beispiel sind die neuen Anodenöfen in Hamburg. Diese sind erstmals „H2-ready“ und damit fit für das Wasserstoffzeitalter. Doch damit nicht genug: Die von uns mitentwickelte Konstruktion der Anodenöfen führt zudem zu einer um 30 % besseren Energieausbeute, selbst bei Nutzung von konventionellem Erdgas. Hiervon profitieren nicht nur wir unmittelbar, sondern auch die Umwelt. Ich bin fest davon überzeugt, dass Aurubis in den nächsten Jahren durch Prozessverbesserungen und Innovationen noch enormes Potenzial heben wird. Potenzial, das wir steigenden Kosten in Bereichen wie der Energiebeschaffung und dem Wettbewerb um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entgegensetzen werden.
Wie viel Potenzial besteht denn, um bei Aurubis noch mehr Kupfer für die Energiewende zu produzieren?
T. K. Wir nehmen insbesondere in Bulgarien aktuell viel Geld in die Hand, um die Kapazitäten unserer Elektrolyse auszuweiten. Am Ende soll ein Plus von 50 % im Vergleich zur heutigen Produktion stehen. Auch in Lünen haben wir 2024 eine jahrelange Generalüberholung der Elektrolyse erfolgreich abgeschlossen. Die Investition führt zu einer Kapazitätssteigerung von rund 10 % beim Output von Kupferkathoden. So trägt Aurubis unmittelbar dazu bei, dass die europäische Industrie die dringend benötigten Metalle für die Energiewende in Europa verfügbar hat. Dies ist gut für die Umwelt und gut für den Wohlstand in den Regionen, in denen wir aktiv sind.
Lieferkettenverantwortung ist in aller Munde. Frau Hofkens, welche Fortschritte konnte Aurubis hier im abgelaufenen Geschäftsjahr erzielen?
I. H. Für mich war 2024 ein wesentlicher Meilenstein die Copper-Mark-Zertifizierung unserer Standorte im belgischen Beerse und in Stolberg. Auf der einen Seite, weil es ein toller Erfolg für alle Kolleginnen und Kollegen war, die dazu beigetragen haben. Aber auch, weil wir nun alle großen Hüttenstandorte und damit den weit überwiegenden Teil unseres Hüttennetzwerks nach dem Goldstandard der Kupferindustrie zertifiziert haben. Mehr als 95 % der Aurubis-Kathodenproduktion erfüllen nun die Vorgaben des Gütesiegels, das auf den 33 international anerkannten Nachhaltigkeitskriterien des Risk Readiness Assessment der Responsible Minerals Initiative basiert. Im kommenden Jahr ist die Copper-Mark-Zertifizierung der Deutsche Giessdraht GmbH, ein weiteres Tochterunternehmen von Aurubis, geplant sowie mehrere Rezertifizierungen. Wir machen also weiter!
Herr Hoffmann, abseits der finanziellen Faktoren, was ist für Sie der wichtigste Faktor für den künftigen Erfolg von Aurubis?
S. H. Das mag aus Sicht des Finanzchefs überraschen, aber für mich sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unser wertvollstes Element. Sie sind das Fundament für unseren Erfolg – für das laufende Geschäft und die finanziellen Ergebnisse. Wir haben auch das abgelaufene Geschäftsjahr erfolgreich abgeschlossen. Ein operatives Ergebnis von 413 Mio. € und eine Rendite auf das eingesetzte Kapital von rund 11,5 % zeigen das eindeutig. Gleichzeitig erzielten wir mit 537 Mio. € einen starken Netto-Cashflow auf dem sehr guten Niveau des letzten Jahres. All diese Erfolge und all unsere Investitionen sind nur möglich durch die Menschen bei Aurubis, die das stemmen.
Herr Haag, wo wollen Sie Aurubis in den nächsten drei bis fünf Jahren hinführen? Was sind Ihre wichtigsten Ziele?
T. H. Vertrauen in Aurubis zurückzugewinnen! Wir haben das Potenzial, in unserer Industrie zum Benchmark für Arbeits- und Werkssicherheit zu werden. Zudem werden wir die Profitabilität weiter steigern, den Zukunftsbereich Recycling ausbauen und unsere Multimetall-Strategie vorantreiben. Wir sind ein wichtiger globaler Anbieter von Metallen, die für den Wandel zu einer nachhaltigeren Weltwirtschaft unerlässlich sind. Insofern bedienen wir einen wichtigen Megatrend. Wir haben sehr gute Aussichten, weil wir unser robustes Geschäftsmodell kontinuierlich durch organische Wachstumsprojekte stärken und unser einzigartiges Hüttennetzwerk mit zusätzlichen Prozessen und Verarbeitungsmöglichkeiten verbessern. Wir wollen der Partner der Wahl werden und bleiben, für Lieferanten, für Kunden sowie für die Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten!
Weitere Informationen finden Sie im Brief des Vorstands aus dem Geschäftsbericht.